Wochenrückblick KW 12

 

Der Montag war morgens geprägt von den letzten Absprachen bezüglich einer Einigungsstelle in Frankfurt, die wir aber ohne Spruch, sondern mit einer Vereinbarung beenden konnten.

 

Nachmittags war ich Gast auf einer Betriebsversammlung. In meiner Rede habe ich wichtige Gründe, die fuer einen Betriebsrat sprechen, benannt, so zum Beispiel:

 

– auf einen Betriebsrat zu verzichten heißt, auf Arbeitnehmerrechte zu verzichten. Der Betriebsrat ist die Interessenvertretung der Arbeitnehmer

 

– Betriebsräte verhandeln in Fragen der zwingenden Mitbestimmung auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern.

 

– Mobbing, Bossing, Schikane – mit guten Betriebsräten jedenfalls schwieriger

 

– Kündigungen sind mit Betriebsräten schneller unwirksam

 

– Betriebraete können sich schulen lassen und sind ernsthafte Gesprächspartner in arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen

 

Die Liste ließe sich beliebig verlängern…

 

Mittwoch habe ich dann drei Stunden eine Betriebsvereinbarung „Arbeitszeit“ vorbereitet.

 

Donnerstag ging es nach Fulda zu einem Kündigungsrechtsstreit und Freitag stand der Entwurf eines Aufhebungsvertrages auf dem Programm.

 

Das bringt mich auf ganz einen aktuellen Fall, den das Bundesarbeitsgericht gerade entschieden hat, der mir die Zornesröte ins Gesicht treibt.

 

Was muss man hierzu vorab wissen?

 

Ein Aufhebungsvertrag darf nicht unter Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns zustande kommen – so die Theorie!

 

Ob das der Fall ist, ist anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.

 

Das höchste deutsche Arbeitsgericht meinte nun, urteilen zu müssen, dass der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig mache, für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB darstelle, auch wenn dies dazu führe, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibe noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen könne.

 

Wie bitte?

 

Wieviel mehr Verstoss darf es denn sein, hohes Gericht – oder besser, wenn das keine Pflichtverletzung ist, was ist es denn dann?

 

Im zu entscheidenden Fall stritten die Parteien über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Am 22. November 2019 führten der Geschäftsführer und der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte, im Büro des Geschäftsführers ein Gespräch mit der im Bereich Haustechnik tätigen Klägerin. Der Vorwurf gegenüber der Klägerin war, dass diese unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert habe, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Die Klägerin unterzeichnete nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser sah eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2019 vor.

 

Die Klägerin hat den Aufhebungsvertrag mit Erklärung vom 29. November 2019 wegen widerrechtlicher Drohung angefochten.

 

Sie behauptete, ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden.

 

Sie habe – ohne Erfolg- eine längere Bedenkzeit erbeten.

 

Fuer die Thüringer Richter alles kein Problem, nach ihrer – leider maßgeblichen Meinung – sei die Entscheidungsfreiheit der Klägerin nicht dadurch verletzt worden, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet habe und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort habe entscheiden müssen, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21.

 

Das ist wieder mal so eine Entscheidung, die man nicht glauben kann, wenn sie nicht tatsächlich ein Aktenzeichen tragen wuerde.

 

Wie oft kommen Mandanten zu mir und erzählen die Geschichte ihres Aufhebungsvertrages so oder so ähnlich?

 

Ich frage mich immer, ob Arbeitsrichter, die so etwas entscheiden, jemals eine Firma von innen gesehen haben.

 

Ich warne daher immer wieder vor dem Abschluss von Aufhebungsvertraegen – und diese Entscheidung ist ein weiterer Grund zur Vorsicht, jedenfalls dann, wenn der Aufhebungsvertrag vorher ohne rechtlichen Beistand erfolgt ist.

 

Euch eine gute Zeit! Bis nächste Woche!