Wochenrückblick KW 20

 

Wege

 

1.) So langsam neigen sich die Betriebsratswahlen dem Ende entgegen und ich freue mich riesig, weil die von mir vertretenen Betriebsräte tolle Erfolge feiern – und das teilweise trotz erheblicher und leider auch unfairer Gegenwehr der Arbeitgeberseite.

 

Dazu möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich gratulieren.

 

Ich bin immer wieder berührt, dass Menschen in einem Ehrenamt sich derart einsetzen und auch Anfeindungen und persönliche Angriffe in Kauf nehmen.

 

Davor ziehe ich den Hut. Es ist für mich vergleichbar mit Menschen, die sich für andere gemeinnützig in Gefahr begeben, wie beispielsweise bei der Freiwilligen Feuerwehr.

 

Was mir bei Betriebsräten fehlt, ist allerdings die öffentliche Wertschätzung für ihr Tun – daran könnte der Gesetzgeber, wie auch die Gesellschaft an sich gerne mal arbeiten.

 

Bei Anwälten, überhaupt im Berufsleben, ist professionelle Distanz zum Mandanten bzw. Kunden ein Thema.

 

In meiner Welt ist Distanz ein Ko.-Kriterium.

 

Ich bin seit Beginn meiner Betriebsratsarbeit mit „meinen Betriebsräten“ per Du und meine Handynummer ist für die mit mir arbeitenden Betriebsräte keine Geheimnummer.

 

Ich bin erreichbar – und, wenn es geht, auch außerhalb meiner Sprechzeiten.

 

Jeder muss seinen Weg finden und manchmal muss man eben keine Regeln befolgen, sondern das tun, was man s e l b s t für richtig hält.

 

2.) In meinen Seminaren möchte ich meinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Strukturen geben

 

– zu Beginn von Verhandlungen
– für den Argumentationsaufbau
– für die Begründung von Forderungen
– zu Fragetechniken
– für Formulierungen

 

und zum Umgang mit Druckmitteln.

 

Eine der wichtigsten Eigenschaften ist aber der Aufbau einer Verbindung zum jeweiligen Verhandlungspartner und natürlich gibt es auch hierfür Techniken.

 

Etwas, was man nicht lernen kann, ist Erfahrung, die bekommt man denklogisch erst im Laufe der Zeit.

 

Und hier schließt sich der Kreis, denn Erfahrung lehrt uns, in schwierigen Verhandlungssituationen Gelerntes intuitiv anzuwenden und in der Lage zu sein, von der Systematik abzuweichen.

 

So wie wir beim Atmen, Gehen und Bewegen ohne darüber nachzudenken, den Körper einfach machen lassen.

 

Ich sage meinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern immer, dass so jeder seinen eigenen Verhandlungsstil erlernen muss. Es geht um Authentizität – und wiederum darum, eigene Wege zu gehen.

 

Wenn ich authentisch bin, merken das meine Verhandlungspartner. Genauso ist es, wenn ich bei Verhandlungen hölzern wirke, weil ich entweder inhaltlich „schwimme“ oder Verhandlungstechniken nicht beherrsche.
Ich versuche auch nicht zu kopieren, denn meistens bleibt das Original unübertroffen.

 

3.) Was war sonst los? Montag bis Mittwoch war ich auf einem Seminar in Dresden. Und wiederum stelle ich fest, dass ich mich zum „Veranstaltungskünstler“ entwickle, der sein Publikum einfach braucht – und zwar lebendig, in persona und nicht in einem unpersönlichen Kasten. Arbeitsrecht 1 war das Thema und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren hochmotiviert.

 

Dazu kommt die Kulisse einer einzigartigen Stadt, die mich mit ihrem „Komm-bald-wieder-Virus“ schon vor langer Zeit infiziert hat.

 

Donnerstag ging es um Kündigungen und Kündigungsschutzklagen aller Art und Freitag galt es, mein Seminar in Nordheim vorzubereiten, ein Weinort, der langsam zu meinem 2. Wohnsitz wird, herrlich am Main gelegen, umringt von malerischen Weinbergen.

 

Montag bis Mittwoch ist dort das Thema „Betriebsverfassungsrecht 1“.

 

4.) Was habe ich inhaltlich?

 

In Dresden ging es u.a. um Nebenpflichten im Arbeitsrecht.

 

Dazu passt eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamm Arbeitsgericht Hamm vom 22. Februar 2022 – 4 Ca 636/21.

 

Was war passiert?

 

Der Kläger lieferte sich ein Wortgefecht mit einer Mitarbeiterin eines Kunden, als er bei diesem auslieferte.

 

Diese hatte ihn darauf hingewiesen, dass er einen Mund- und Nasenschutz tragen solle, da auf dem gesamten Betriebsgelände Maskenpflicht gelte.

 

Der Kläger, erwiderte: „Lassen Sie mich mit dem Scheiß in Ruhe, ich bin hier auf dem Parkplatz.“ 

Der Arbeitgeber kündigte dem Kläger aufgrund dessen ordentlich.

 

Dabei hatte der Arbeitgeber vergegenwärtigt, dass der Kläger wegen seines Verhaltens bereits Abmahnungen erhalten hatte.

 

So äußerte er gegenüber einem Arbeitskollegen:

 

„Das geht dich einen Scheißdreck an, du hast hier nichts zu sagen. Du bist ohnehin bei allen durch.“ und zeigte einem weiteren Kollegen den Mittelfinger. In einer Auseinandersetzung mit einem Schichtleiter hatte er diesem an den Kopf geworfen „Du tickst doch nicht mehr ganz richtig!“. 

 

Für das Arbeitsgericht Hamm reichte der Vortrag des Arbeitgebers trotzdem nicht.

 

Denn der Kläger habe nicht die Mitarbeiterin des Kunden in ihrer Ehre verletzen wollen, sondern vielmehr lediglich seinen Unmut über die coronabedingte Situation und Maskenpflicht auf dem Parkplatz unter freiem Himmel ausdrücken wollen.

 

Das Arbeitsgericht würdigte dabei, dass die Angelegenheit mit dem betreffenden Kunden durch klärende Gespräche und einer Entschuldigung bereinigt werden konnte und der Kläger auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beanstandungsfrei den Kunden weiter belieferte.

 

Das war fuer das Gericht der Anlass, dem Kläger noch eine Chance zu geben, denn das Verhalten des Klägers sei nicht geeignet gewesen, das Verhältnis zum Kunden nachhaltig zu beeinträchtigen.

 

Insgesamt sei für die Äußerung des Klägers eine Abmahnung ausreichend gewesen.

 

Ich meine dazu, dass es im Arbeitsrecht – je nach Branche – auch mal etwas rauer zugehen darf.

 

Gerade in Verhandlungen kochen Emotionen hoch.

 

Gleichwohl darf man es nicht übertreiben. Und dass der hiesige Kläger trotz seiner schon vorliegenden Abmahnungen sich wieder verfehlte, ist schon bemerkenswert.

 

Was ihn u.a. wohl gerettet hat, ist die Tatsache, dass er sich entschuldigt hat und der Kunde des Arbeitgebers offensichtlich nicht nachtragend war.

 

Euch eine schöne neue Woche!