Wochenrückblick KW 22

 

Mut!

 

Die letzten zwei Jahre waren sehr von der Corona-Angst geprägt, derzeit fürchten wir uns vor dem aktuellen Kriegsgeschehen und was als nächstes kommt, weiß niemand.

 

Angst ist natürlich und jeder kennt sie.

 

Warum Angst als Phänomen in unserem Leben nötig ist und war, diese Frage kann ich nicht beantworten.

 

Ich weiß natürlich, dass beispielsweise Furcht soziologisch notwendig war wie zum Beispiel Flucht und Totstellen, aber Angst habe ich Zeit meines Lebens immer als etwas Hemmendes erlebt.

 

Ich freue mich daher immer dann, wenn Menschen ihre Angst besiegen und davon handelt mein heutiger Wochenrückblick.

 

Zu meinen Alltagshelden gehören nicht selten meine Seminarteilnehmer, die ja in der Regel Betriebsräte sind.

 

Betriebsrat zu sein, hat zu allen Zeiten Mut verlangt. Denn es erfordert von den Amtsinhabern nicht selten, über sich hinaus zu wachsen, indem sie sich mit dem Arbeitgeber aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung als Betriebsräte in kritischen betriebsverfassungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Fragen auseinandersetzen müssen.

 

Dazu gehören natürlich auch Kenntnisse über Konfliktmanagement, Führung und insbesondere Verhandlungsführung.

 

Dabei müssen alle Betriebsräte ihre Fähigkeiten erst irgendwann einmal lernen oder gelernt haben, denn eingestellt wird man als Mitarbeiter, zum Betriebsrat wird man von seiner Belegschaft gewählt.

 

Das ist für den einen einfach, andere müssen sich an die Einarbeitung in rechtliche Fragen erst gewöhnen.

 

Falsches Handeln hat in der Regel Konsequenzen – bis hin zu persönlichen Folgen.

 

Vor Jahren hatte ich einen Fall zu betreuen, wo die Belegschaft ihren Betriebsrat abwählen wollte, weil dieser seine vier turnusmäßigen Betriebsratswahlen nicht durchgeführt hat.

 

Aktuell betreue ich u.a. die Anfechtung einer Betriebsratswahl, die Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs und die fristlose Kündigung von Betriebsräten.

 

Besonders schlimm ist es, wenn Betriebsräte sich strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt sehen.

 

Und trotzdem lassen sich viele Mitarbeiter darauf ein, sich in das Ehrenamt des Betriebsrates wählen zu lassen.

 

Diese Woche war ich auf einer Betriebsversammlung, in der Betriebsräte es gemeinsam mit ihrer Belegschaft und der Gewerkschaft geschafft haben, den Arbeitgeber zu Tarifvertragsverhandlungen aufzufordern.

 

Dabei habe ich mich gefreut, mit welchem Selbstbewusstsein und inhaltlichen Kenntnissen die Betriebsräte aufgetreten sind – und dabei immer den richtigen Ton in der Ansprache gefunden haben.

 

Sie haben Mut bewiesen, der hoffentlich bald der Belegschaft nützen wird.

 

In dem Zusammenhang fällt mir auch die Arbeit einiger Gewerkschaftssekretäre:innen ein, mit denen ich zum Teil schon seit vielen Jahren zusammenarbeiten darf.

 

Insbesondere, wenn die Stimmung zwischen Arbeitgeberseite und Betriebsrat hässlich wird, bin ich froh auf die Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit der Gewerkschaft bauen zu können.

 

Es erfordert Mut, sich namentlich hinter eine Belegschaft zu stellen und Presse- und Medienanstalten von der Veröffentlichung zu überzeugen.

 

Es erfordert Mut, sich als Gewerkschafter hinter eine Belegschaft zu stellen und sie bis hin zu einem Streik zu motivieren.

 

Besonders gefreut habe ich mich diese Woche über den Mut einer alleinerziehenden Mutter, die, um für ihr Kind da zu sein, bei ihrem Arbeitgeber eine Verringerung ihrer Arbeitszeit beantragt hatte.

 

im laufenden Arbeitsverhältnis fällt es Menschen grundsätzlich schwer, gegen ihren Arbeitgeber zu klagen.

 

Nach einem Erfolg in der ersten Instanz vertrat sie auch in der 2. Instanz ruhig und sachlich ihren Standpunkt.

 

Nach Ende der Verhandlung sind wir daher auch in dieser Instanz in einer guten Ausgangsposition, prüfen aber tatsächlich vorher nochmal Vergleichsmöglichkeiten getreu dem Motto von J. William Fulbright: „Es ist Unsinn, Türen zuzuschlagen, wenn man sie angelehnt lassen kann.“

 

Das bringt mich zu meinem heutigen inhaltlichen Schwerpunkt.

 

Wann hat ein Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen?

 

Die Antwort lautet erst einmal allgemein, jedenfalls dann, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen.

 

Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liegt vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht.

 

Insoweit genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Diese Gründe müssen hinreichend gewichtig sein.

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes erfolgt die Prüfung der Gründe des Arbeitgebers regelmäßig in drei Stufen.

 

Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt und – wenn das zutrifft – um welches Konzept es sich handelt ( erste Stufe ).

 

In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht ( zweite Stufe ).

 

Schließlich ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. Dabei ist die Frage zu klären, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zu Grunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt werden. Maßgeblich für das Vorliegen der betrieblichen Gründe ist der Zeitpunkt der Ablehnung des Arbeitszeitwunsches durch den Arbeitgeber, der die Darlegungs und Beweislast für das Vorliegen entgegenstehender betrieblicher Gründe trägt.

 

In erster Instanz war der Vortrag des Arbeitgebers hierzu nach der Begründung des Arbeitsgerichts unsubstantiiert – etwas hemdsärmeliger ausgedrückt – ungenau.

 

Ob das Gericht in dieser Runde hierzu etwas sagen wird und muss, bleibt abzuwarten.

 

Ich fahre nächste Woche zur Schulung nach Willingen und freue mich am Freitag auf zwei Gerichtsverhandlungen.

 

Euch eine angstfreie Woche, euer Frank!