Wochenrückblick KW 28

 

Allgemeinverbindliche Tarifverträge – Fluch und Segen zugleich!

 

Diese Woche stand Montag eine Einigungsstelle zur Rufbereitschaft nahe Düsseldorf auf dem Programm.

 

Danach ging es vier Tage nach Gießen zu einem Seminar speziell für Betriebsratsvorsitzende und deren Stellvertreter.

 

Dienstagmorgen habe ich allerdings zuerst mit einem meiner Betriebsräte überlegt, wie wir Verhandlungen zu zwei Betriebsvereinbarungen wiederbeleben, nachdem der Arbeitgeber sich weigert, Tarifverhandlungen zu führen.

 

Nächste Woche bin ich Montag und Dienstag in Berlin, dann geht es Mittwoch nahe Siegburg zu Verhandlungen über die Einführung einer Vergütungsstruktur.

 

Ein spannender Fall deswegen, weil wir auf dem Weg festgestellt haben, dass uns eine Tarifsperre dazu zwingt, einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag aus 1980 anzuwenden, sodass wir unser Vorhaben eigentlich aufgeben müssen, eine Vergütungsstruktur einzuführen.

 

Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag muss im Betrieb angewendet werden, egal, ob der Arbeitgeber im Arbeitgeberverband ist oder nicht und egal, ob die Mitarbeiter in der Gewerkschaft sind oder nicht.

 

Der Arbeitgeber glaubt nun, dass sich der Betriebszweck geändert hat.

 

Grundsätzlich ist in Mischbetrieben, in denen Tätigkeiten verschiedener Fachrichtung verrichtet werden, derjenige Tarifvertrag maßgebend, der der überwiegenden Arbeitszeit der Arbeitnehmer entspricht (BAG, Urteil vom 05.09.1990 – 4 AZR 59/90).

 

Wir sind mit unseren Betriebsräten aber der Ansicht, dass wir uns im Groß- und Außenhandel bewegen.

 

Ein Unternehmen, dass Waren beschafft und absetzt, gehört nach der Rechtsprechung des BAG entweder dem Großhandel oder dem Einzelhandel an (BAG, Urt. v. 25.1.2006 – 4 AZR 610/04). Dem Bereich des Handels werden danach alle Unternehmen zugeordnet, die die Aufgabe erfüllen, räumliche, zeitliche, qualitative und quantitative Diskrepanzen zwischen der Produktion und der Konsumtion auszugleichen. Sie sind in irgendeiner Form daran beteiligt, die produzierten Waren dem Endverbraucher zu vermitteln.

 

Wenn der Fall auch rechtlich spannend ist, so stehen für uns immer unsere Betriebsräte und die von Ihnen repräsentierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vordergrund.

 

Die werden nun leider warten müssen, wie es vergütungstechnisch für sie weitergeht – und das ärgert mich!

 

Denn, wenn der Arbeitgeber nicht einlenkt, wird die bereits angerufene Einigungsstelle zunächst entscheiden müssen, ob sie sich für zuständig hält. Tut sie es nicht, muss im Betrieb ein 42 Jahre alter Tarifvertrag zum Entgeltrahmen angewendet werden – auch das wird jedenfalls nicht einfach.

 

Eine echte Herausforderung für meine Betriebsräte und mich.

 

Der Fall zeigt überdeutlich, in welchen schwierigen Fallkonstellationen sich Betriebsräte befinden, die letztlich ihre Tätigkeit im Ehrenamt ausüben.

 

Mittendrin erhielt ich die Nachricht, dass ich vor dem Landesarbeitsgericht Hessen auch in zweiter Instanz für einen meiner Betriebsräte ein Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle gewonnen habe, welche sich mit der Beschwerde eines Mitarbeiters befasst.

 

Fazit: Der Sommer bleibt spannend!

 

Und der Herbst wirft ja schon seine Schatten voraus 1.) bezüglich Corona und 2.) der Frage, welche Betriebe heiztechnisch als Erstes abgeschaltet werden, wenn die Versorgung eng wird. Was das für die Beschäftigung heißt, ich will einfach nicht daran denken.

 

Ich weiß nicht, wann ich jemals so ungewiss in die Zukunft geschaut habe.

 

Bleibt kämpferisch, ich bleibe es auch!