Wochenrückblick KW 39

 

Ich bin diese Woche zum Betriebsverfassungsrecht 2 Seminar in der Hauptstadt Berlin gewesen. Dort habe ich mich riesig gefreut über sehr fleißige Betriebsräte, die aus der gesamten Republik angereist waren.

 

Gestern habe ich online abends dann mit meinem Team noch meine Vorträge für 2023 geplant.

 

Dabei muss ich mich schon jetzt herzlich bedanken für soviel Anfragen, die wir weitestgehend erfüllen können.

 

Die Vorträge geben mir die Möglichkeit, Betriebsräte bundesweit für ihre Arbeit zu begeistern und das ist und bleibt für mich ein Ansporn – gerade in diesen Zeiten.

 

Bei allem, was zweifellos nicht gut läuft in Deutschland, das Betriebsverfassungsgesetz ist eine Errungenschaft, die es zu erhalten gilt und welches dieses Land besser macht.

 

Mitbestimmung sorgt dafür, dass es in Betrieben gerechter zugeht und egal, wie die politische Lage ist, sie sollte für alle demokratischen Parteien unantastbar sein.

 

Sie bedeutet aber auch, Verantwortung wahrzunehmen und mich fasziniert seit vielen Jahren, wie bedacht Betriebsräte mit ihren Rechten, die aber eben auch Pflichten sind, umgehen.

 

Diese Tage sah ich ein Video eines Unternehmers, der sich darüber beklagte, dass früher Arbeiter mit Stolz an den Villen ihrer Arbeitgeber vorbeigegangen wären und dass das heute anders sei.

 

Mich verwirrt so ein Weltbild! Ja – Gott sei Dank ist diese Zeit vorbei. Wohlstand wird meistens erwirtschaftet und zwar nicht vom Unternehmer alleine, sondern von den vielen Menschen, die für ihn arbeiten.

 

Und Bewunderung, Respekt und Anteil am Erfolg haben alle verdient, nicht nur einer.

 

Das Betriebsverfassungsrecht ermöglicht diesen Anteil am Erfolg und fordert von den Betriebsparteien ein Miteinander und ich kann nicht erkennen, was hieran auch nur ansatzweise zu kritisieren wäre.

 

Was habe ich heute inhaltlich?

 

Heute geht es um einen Fall des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – allerdings um den Teil, den ich nicht so besonders mag, den Bewerberschutz. Nicht, weil ich nicht glauben würde, das Stellenbewerber schützenswert seien. Nein, das nicht. Aber Fehler in Stellenanzeigen werden gerade heute, insbesondere von kleinen Betrieben, häufig aus Unwissenheit gemacht und diese können dann unverhältnismäßig teuer werden. Außerdem werden Fehler begangen, weil man sich als Betrieb in Zeiten von Bewerbermangel interessant machen will und es dann mit den Formulierungen überreizt.

 

Der heutige Fall liegt aber ein bisschen anders und auch wieder nicht.

 

Was war passiert?

 

Eine transsexuelle Handwerkerin, die nach ihrem biologischen Geschlecht ein Mann war, bewarb sich erfolglos auf eine Stellenanzeige eines Betriebes, in der es u.a. hieß: „Wir suchen coole Typen – Anlagenmechaniker – Bauhelfer“.

 

Das Bewerbungsschreiben unterzeichnete sie mit „Frau ……

 

Der Geschäftsführer des Handwerksbetriebs leitete die Bewerbung an einen Kunden über das Nachrichtenportal Whats-App weiter, mit der Anmerkung „Was läuft da nur falsch“ sowie einem Smiley mit heruntergezogenen Mundwinkeln.

 

Die Handwerkerin klagte wegen Diskriminierung, die sie wegen des Textes der Stellenausschreibung („coole Typen“) wegen ihres fortgeschrittenen Alters sowie als Frau, d.h. wegen des Geschlechts, als indiziert sah.

 

Das Arbeitsgericht verurteilte den beklagten Inhaber des Handwerksbetriebs zu 1,5 Gehältern bzw. zu 5.000,00 EUR Entschädigung wegen einer geschlechtsbedingten Diskriminierung.

 

Anhaltspunkte dafür waren, was heute eigentlich in Stellenanzeigen nicht mehr passieren sollte, die ausschließliche Verwendung männlicher Berufsbezeichnungen in der Stellenausschreibung sowie – und das ist der Teil, der gar nicht geht, die Weiterleitung der Bewerbung mit einem noch dazu despektierlichen Kommentar an einen Dritten.

 

Allein für die Weiterleitung der Bewerbung musste der Beklagte weitere 1.000,00 EUR Entschädigung zahlen, was ich noch als ausgesprochen „günstig“ ansehe.

 

Dagegen war das Gericht der Ansicht, dass der
Ausdruck „coole Typen“ weder ein Indiz für eine geschlechtsbezogene Diskriminierung von Frauen noch für eine Diskriminierung älterer Bewerber sei.

 

Auch Frauen im vorgerückten Alter können somit nach Ansicht des Arbeitsgerichts Koblenz coole Typen sein.

 

Das unterschreibe ich sofort!

 

Die Entscheidung stammt vom ArbG Koblenz, 09.02.22, Az. 7 Ca 2291/21.

 

Nächste Woche bin ich in Bad Hersfeld, danach geht es wieder mal ins von mir geliebte Nordheim an der Mainschleife.

 

Euch eine schöne Woche!