Wochenrückblick KW 5
Ein Freund und Betriebsratsvorsitzender hat mich vor einiger Zeit darauf gebracht, dass ich mir die Frage gestellt habe, was ich beruflich und privat noch erreichen will.
Wie kam es dazu?
Er stellte sich mit einem Massband, auf dem die durchschnittliche Lebenserwartung markiert war, vor mich und liess mich mein Lebensalter abschneiden.
Eine sehr hilfreiche Erfahrung, denn ich hielt nicht mehr allzuviel Band in der Hand.
Und, wenn man weiss, dass durchschnittlich auch weniger bedeuten kann, dann wird persönliche Zeit zu einem ganz wichtigen Gut.
Nun geht mein Privatleben niemanden etwas an, aber ich schreibe und rede ja auf diesen Seiten ausschließlich über meinen Beruf.
Was will ich also beruflich noch erreichen?
Ich möchte Brücken bauen zwischen Betriebsraeten und Arbeitgebern. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien ist zwar gesetzlich verankert – ein wirkliches Miteinander ist aber in meiner Wahrnehmung eher die Ausnahme als die Regel.
Ich möchte Menschen begeistern fuer die Betriebsratsarbeit. In meinen Schulungen will ich nicht nur Wissen vermitteln, das machen Onlineseminare auch, sondern die Teilnehmer ermutigen, Strukturen geben und fuer ein Miteinander begeistern – zum eigenen Wohl und insbesondere zum Wohl der Belegschaft.
Ich möchte Werte vermitteln – wie Loyalität, Wertschätzung, Ehrlichkeit, Fairness und Zuverlässigkeit. Werte, an die ich Zeit meines Lebens glaube, wenn ich auch manchmal an meinen eigenen Ansprüchen diesbezüglich selbst gescheitert bin.
Ich möchte verbinden und Menschen berühren.
Die Gesellschaft wird gerade gespalten und entmenschlicht. Ich verzweifle zum Beispiel daran, dass Institutionen sich abkapseln, indem sie telefonisch kaum noch und wenn ueber Hotlines zu erreichen sind, aus denen man dann auch noch – nicht selten – nach zwanzig Minuten herausgeschmissen wird.
Die Erreichbarkeit per e-Mail als Allerheilmittel ohne Möglichkeit, sein Anliegen – von mir auch mal emotional – vorzutragen, darf nicht die Zukunft sein.
Ich möchte mir bis zum Schluss Zeit nehmen fuer meine Mandantinnen und Mandanten und Ihnen die Möglichkeit geben, sich mir zu erklären.
Und deswegen bin ich gerade auch ein bisschen stolz auf unser Büro, was selbst in Corona-Zeiten fuer alle offen steht und stand – bei allen persönlichen Risiken, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wir dabei eingehen und eingegangen sind.
Was gab‘s sonst noch?
Gerade betreue ich ein Gremium, was sich massiv zur Wehr setzen muss gegen einen Vorgesetzten, der meines Erachtens mit antiquierten Methoden arbeitet, die – weiß Gott – in die Mottenkiste der arbeitgeberseitigen Führungsinstrumentarien gehören – und trotzdem gebe ich die Hoffnung auf Besserung nicht auf. Ich denke, in den nächsten Tagen werde ich dazu auch noch konkreter werden muessen.
In diesem Zusammenhang bin ich dankbar fuer die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft NGG und die offene Berichterstattung in diesem Fall laesst mich – jedenfalls in Thüringen – an eine offene Berichterstattung der Medien glauben.
Gefreut habe ich mit einem Mitglied der Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat ueber seinen gewonnenen Prozess bezüglich der Entfernung einer Abmahnung. Ich bin gespannt, ob der Arbeitgeber das Urteil rechtskräftig werden lässt.
Was habe ich heute inhaltlich?
Mich hat eine Entscheidung des LAG Köln beruehrt, die ich besonders finde.
Was war passiert?
Eine Mitarbeiterin hat fuer ihre Buchhaltungsaufgaben Zugriff auf den Dienstcomputer ihres Vorgesetzten – einem Pastor.
Sie stiess in diesem Zusammenhang auf eine e-Mail, die den Pastor auf ein gegen ihn gerichtetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts sexueller Übergriffe auf eine im Kirchenasyl der Gemeinde lebenden Frau hinwies.
Im e-Mail Konto fand sie als Anhang einer privaten E-Mail einen Chat-Verlauf zwischen dem Pastor und der betroffenen Frau, den sie auf einem USB-Stick speicherte und eine Woche später anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weiterleitete.
Das Ende der Geschichte ist voraussehbar, denn nach Bekanntwerden der Vorkommnisse kündigte die Gemeinde der Mitarbeiterin fristlos.
Während die Mitarbeiterin in der ersten Instanz noch aufgrund des langen und bisher unbelastet verlaufenden Arbeitsverhältnisses obsiegen konnte, war das Landesarbeitsgericht da durchaus strenger.
Denn die Kölner Richter sahen in der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten auch wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. ( LAG Köln, 02.11.2021, Az. 4 Sa 290/21 )
Auf den ersten Blick ist die Entscheidung nicht ganz einfach zu verstehen, im Arbeitsrecht ist Vertrauen jedoch ein notwendiges und hohes Gut. Hier sind Pflichtverletzungen, wie im vorliegenden Fall, schlicht unverzeihlich.
Nächste Woche beginne ich mit einer Wahlvorstandsschulung, danach muss ich zahlreiche Beschlussverfahren auf den Weg bringen, ich bin jetzt schon voller Elan, geniesse aber, wie ihr, jetzt erstmal das Wochenende!
Bleibt gesund und bis nächste Woche!