Gluecksmomente

 

Wann immer ich über meine Berufswahl nachdenke, bin ich immer etwas hin und hergerissen.

 

Es ist die „was wäre gewesen, wenn“ Frage, kennt ihr die?

 

Was wäre, wenn ich doch in die Politik gegangen wäre, wenn ich doch Medizin studiert hätte, warum habe ich eigentlich nie versucht, etwas Künstlerisches zu machen?

Ich empfehle das niemandem, aber man kann ganze Nächte so verbringen.

 

Alle Zweifel sind weg, wenn, wie diese Woche geschehen, sich Menschen bei mir dafür bedanken, dass ich da war und sie betreut habe.

 

Der Fall war eigentlich wenig aufsehenerregend, aber in seinen Konsequenzen hätte er ein Berufsleben vernichten können.

 

Was war geschehen?

 

In einer seiner ersten Einsätze als Beamter gerät ein Mensch in eine Horrorsituation. Sein erfahrener Kollege verliert in einem Einsatz die Kontrolle und schlägt den Beschuldigten, obwohl die Situation das nicht mehr rechtfertigte.

 

Der Vorwurf an ihn war nun, zu dieser Tat seines Kollegen Beihilfe geleistet zu haben.

 

So absurd dieser Vorwurf auch war, so real war das Ermittlungsverfahren, dem sich dieser junge Mensch ausgesetzt sah.

 

Es folgte eine sehr umfangreiche Einlassung unsererseits und Monate des Wartens.

 

Das Warten ist für Mandanten eigentlich in solchen Situationen immer das Schlimmste.

 

In dieser Zeit habe ich mit diesem Menschen viel telefoniert und ihm Mut gemacht.

 

Diese Woche kam dann die Nachricht der Einstellung.

 

Das Berufsleben geht für diesen Menschen weiter.

 

Und anstatt jetzt einfach nur seine Rechnung zu bezahlen, kam dieser Mensch nochmal in mein Büro, um mir zu sagen, wie froh und dankbar er für all das gewesen ist.

 

Das ist ein Gluecksmoment meines Berufes, Menschen dabei zu helfen, ihre Arbeit zu behalten, die – nicht selten – sinngebend für ihr Leben ist.

 

Ein solches „Dankeschön“ ist und bleibt dann das i-Tüpfelchen.

 

Ich will heute nicht wie ein Pfarrer klingen, aber das ist es, warum ich nach 23 Jahren Anwaltstaetigkeit – jedenfalls in dieser Wochen fest glaube -, mit meinem Studium der Rechtswissenschaft die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

 

Letzte Woche habe ich den Rechtsstaat gelobt, aber an dieser Stelle ist dann heute auch Kritik angebracht, denn solche Verfahren dauern zu lange. Zwischen Einlassung und Entscheidung liegen manchmal mehrere Monate und das ist zermürbend.

 

Das bringt mich auf einen weiteren Fall dieser Woche und das Thema „Sozialrecht“.

 

Wann immer Mandanten aufgrund von Krankheit ihren Beruf aufgeben müssen, ist das für sich alleine schon eine Tragödie.

 

Dann aber auf die Entscheidung des Rententraegers warten zu müssen, ob und wann sie Rente erhalten, ist – jedenfalls in manchen Fällen – ein Martyrium.

 

So gerade in einem Fall, in dem die Liste der Leiden und Krankenhausaufenthalte des Mandanten schon fast kein Ende nimmt und trotzdem reicht das alles dem Rententraeger nicht, während der Mandant so zielsicher in existenzielle Not gerät.

 

Sozialgerichtliche Verfahren sind in ihrer Länge beispiellos und liebe Politiker, bei all den Plakaten mit teilweise peinlichen und sinnlosen Phrasen, wie wäre es denn mal mit Inhalten. Innenpolitisch hätte ich eine Menge Verbesserungsvorschläge.

 

Nächste Woche geht es Montag nach Eisenach zu einem Vortrag „ Mitbestimmung und Betriebsratsarbeit in schwierigen Zeiten“ und ab Dienstag freue ich mich dann auf eine Arbeitsrecht 3 Schulung im Rheinland.

 

Passt weiter auf Euch auf, weicht den feindlichen Viren aus, wann immer es geht, bleibt gesund, bis nächste Woche, dann wieder im Videoformat.